dream windows
Kunst und Bau Bildungszentrum für Technik Frauenfeld
Architektur Jessenvollenweider Basel jessenvollenweider.ch
9 analoge Landschaftsfotografien Swisslamex, je 150cm x 225cm x5cm
Fotografie Räume: Maximillian Meisse Berlin

Traumfenster für ein Lichthaus

Rahel Müller: Für ihre Fotografien gilt, was Agnes Martin in einem Gedicht schreibt: Es ist nicht, was man sieht; es ist, was man im Inneren seit jeher weiss.

FRAUENFELD. Die Pfyner Künstlerin Rahel Müller hat den Wettbewerb Kunst und Bau für das Bildungszentrum Technik in Frauenfeld gewonnen. Mit neun Fotografien schafft sie Traumbilder, die der technischen Welt etwas Federleichtes entgegenhalten.

Als stünde man im Freien, so voller Licht ist der Anbau des BZT. Das wird auch dann so sein, wenn keine Vorfrühlingssonne die Seele wärmt wie am gestrigen ersten Schultag. Raumhohe Fenster öffnen das Bildungszentrum für Technik in den Aussenraum, den die Murg durchfliesst. Und drinnen hängen seit gestern Fenster, neun an der Zahl, die den Blick der Schüler und Lehrkräfte schweifen lassen in ferne Welten: fern wie eine frühmorgendliche Sanddüne in Tunesien, fern wie ein Bachlauf bei Pfyn, wo ihr Atelier steht.

«Dream Windows» nennt Rahel Müller ihre grossformatigen Naturfotografien. Als sie ihr Projekt einreichte, hatte sie auch an Bilder von Menschen gedacht: «Menschen beim Träumen», sagt sie. Nach einer Diskussion mit der Jury entschied sich die Künstlerin zu Traumbildern aus der Natur, die nicht minder belebt wirken. Fast monochrom sind sie, Rahel Müller hat den analogen Bildern wenig Farbe belassen bei der Bearbeitung am PC.

«Irgendwo Erinnertes»

Ihre Fotografien setzen Erinnerungen frei, denen keine eigentliche Bedeutung zuzukommen scheint, die aber voller Glücksgefühle sind, schrieb Ursula Badrutt in einem Text über Rahel Müller, der 2007 in der Reihe Facetten der Thurgauer Kulturstiftung erschienen ist. «Es sind keine geschwätzigen Erinnerungen, keine Geschichten, die erzählt werden, sondern irgendwo Erinnertes, das Stille, Meditation und Konzentration verlangt.»

Solches gilt auch für die neun Arbeiten, die an den Wänden im BZT hängen: acht im Neubau, eines im alten Hausteil. Aber Rahel Müller ist sich bewusst, dass Berufsschüler sich rasche und grelle Bildreize gewohnt sind. Und sie will nicht, dass ihre Bilder bei den jungen Menschen nach drei Wochen schon ins Unterbewusstsein rutschen und sie die Fotografien kaum mehr wahrnehmen.

Bewusst hat Rahel Müller darum die Fotografien hinter Glas gelegt: Bei jedem Schritt spiegelt sich anderes auf der Oberfläche. Und Glas macht die Bilder auch «vandalensicher» (Vorgabe des Hochbauamts); Plexiglas könnte keinem Kratzer widerstehen.

Ein Wasserfall für die SVP

Der Bodensee liegt die Treppe hoch im ersten Stock, um die Ecke rückt der Albulapass ins Blickfeld oder der Pfyner Bach. Stille entströmt den Aufnahmen, die Unschärfe erhöht das Traumhafte.

Gewollt ist sie, obwohl das Objektiv der Leica für Schärfe gebaut ist. So bekommen die Rippen und Dellen der Düne eine Schummrigkeit, die den Dunst festhält, den sonst die Wüstensonne innert Sekunden wegfrisst. Oder ein Pfyner Bäumchen, schüchtern inmitten grosser Brüder stehend, das vor Sonne leuchtet. Und der SVP gefiel, dass der Wasserfall der Murg gehört und nicht wie die Vögel im Untergeschoss in Kalifornien aufgenommen worden ist.

Rahel Müller wird wieder ernst. Ärgert sich, wenn in Medien der Betrag genannt wird, der in ihrem Handwerkervertrag steht. Denn er entspricht nie ihrem Verdienst. Von diesem Globalbudget gehen alle Materialkosten weg – nur das Risiko und die Haftung bleiben und die Aussicht auf ein Honorar, das die Arbeitszeit honoriert.

Dieter Langhart, Tagblatt Online, 08. Februar 2011